Warum schliessen am 5.10. alle Hamburger Arztpraxen ?

Für Mittwoch, den 5. Oktober hat die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg alle niedergelassenen Hamburger Arztpraxen mit den gesamten Teams zu einer zentralen Fortbildungsveranstaltung eingeladen. Da die Fortbildung am Vormittag von 9:00 bis 12:00 Uhr stattfindet, bleiben die Arztpraxen in diesem Zeitraum geschlossen und Patient*innen müssen sich bei dringenden medizinischen Problemen an den ärztlichen Notruf 116 117 wenden.

Warum findet diese Fortbildung statt ?

Hintergrund sind die laufenden Beratungen des Deutschen Bundestages über den Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz). Dazu muß man wissen, dass nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie bedingt die gesetzlichen Krankenkassen in eine finanzielle Schieflage gekommen sind. Die Einnahmen wachsen langsamer als die Ausgaben – der in der Pandemie beschlossene ergänzende Bundeszuschuss an die Krankenkassen in Höhe von 14 Mrd. Euro entfällt 2023 und ohne zusätzliche Maßnahmen würde der durchschnittliche Zusatzbeitrag ab 2023 um rund 1 Prozent steigen und aufgrund der Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben jedes Jahr weiter um bis zu 0,3 Prozent steigen.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Inflationszahlen und auch den stark gestiegenen Energiepreisen hat sich die Bundesregierung entschieden, das fehlende Geld für die Krankenkassen durch Maßnahmen zu beschaffen, die auch die ambulante Versorgung bei den niedergelassenen Ärzten betreffen.

Was bedeutet das für unsere Hausarztpraxis ?

Wir nehmen ständig auch neue Patient*innen in unserer Praxis auf, sofern wir die Versorgung sicherstellen können. Jede Neuaufnahme ist mit einem ausführlichen Aufnahmegespräch sowie eventuell begleitenden Untersuchungen sehr zeitaufwendig. Nun muß man wissen, dass Hausärzte nur einen Teil der erbrachten Leistungen von der Krankenkasse erstattet bekommen.

Seit 2019 war die Neuaufnahme von Patient*innen von dieser Budgetierung ausgenommen, so daß tatsächlich alle für den bzw. die neu aufgenommene*n Patient*in entstandenen Kosten erstattet worden sind – Hintergrund ist das sogenannte Terminservice-Vorsorgegesetz (TSVG), welches unter anderem eine offene Sprechstunde bei niedergelassenen Ärzten sowie die Vermittlung von Facharztterminen durch Terminservicestellen und Hausärzte regelt. Dieses Gesetz wurde beschlossen, um die bis dahin zunehmend schwierigere Situation bei der Vermittlung von Facharztterminen für gesetzlich versicherte Patient*innen zu verbessern.

Entfällt diese sogenannte “Neupatientenregelung”, würden für die Neuaufnahme von Patient*innen im schlimmsten Fall nur noch 62% (4. Quartal) der Aufwendungen von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden.

Auch niedergelassene Ärzte sind von den (Energie-) Preissteigerungen betroffen und die gesetzlichen Krankenkassen fordern eine Nullrunde von den Ärzten mit eingefrorenen Honoraren für die nächsten Jahre. Gleichzeitig wird das Gesundheitssystem z.B. durch nach Meinung von Experten überflüssige Ausgaben für den Austausch von IT-Konnektoren (EDV-Aussstattung für den Datenaustausch mit den gesetzlichen Krankenkassen) belastet.

Unsere Meinung dazu

Wir halten die geplanten Maßnahmen für falsch, da sie die ambulante Versorgung schwächen, wenn Hausärzte nicht mehr kostendeckend ihre Patient*innen versorgen können und Fachärzte Leistungen zukünftig einschränken.

Bevor die niedergelassenen Ärzte im geplanten Umfang belastet werden, müssen auch andere Ausgaben auf den Prüfstand und der Stellenwert der ambulanten Versorgung mit einem gesellschaftlichen Konsens geklärt werden.

Dr. Ismene Kappos-Baxmann

Wir solidarisieren uns mit unseren Kolleg*innen und fordern die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass nicht mir zweierlei Maß gemessen wird: hier die Großunternehmen, die umfangreich gestützt werden und dort die Einzelpraxen, hinter denen kein finanzstarker Investor steht und die immer mehr Leistungen für immer weniger Geld erbringen müssen.